Schaut man sich die Geschichte des eBooks und seiner Mehrwertsteuer an, kann man eigentlich nur den Kopf schütteln. 2014 war zu dem Thema einiges geboten, eine Zusammenfassung:
Es beginnt mit der unlogischen Tatsache, dass Bücher als Kulturgut dem verringerten Mehrwertsteuersatz von 7% unterliegen, eBooks aber nicht. Preisgebunden sind laut Buchpreisbindungsgesetz sowohl gedruckte Bücher als auch eBooks, weil die Preisbindung auch für Produkte gilt, die Bücher „reproduzieren oder substituieren“ (Paragraf 2 Abs. 1 Ziff. 3). Da werden Bücher und eBooks gleichgestellt, bei der Mehrwertsteuer aber nicht.
Unserer Bundesregierung möchte sich zwar dafür einsetzen, dass auch für eBooks der ermäßigte Steuersatz gilt (Pressemitteilung vom 27. Januar 2014), dafür muss aber erst das EU-Recht geändert werden. Frankreich und Luxemburg hatten für eBooks den verringerten Mehrwertsteuersatz eingeführt und wurden von der Europäischen Kommission dafür verklagt. (Pressemitteilung vom 21. Februar 2013). Warum? Weil die Rechtsvorschriften der Europäischen Union sagen:
„Die Bereitstellung digitaler Bücher gilt als eine auf elektronischem Wege erbrachte Dienstleistung, die nicht zum ermäßigten Satz besteuert werden darf.“
Es wird also erst einmal bei den 19% Mehrwertsteuer bleiben.
Was ist mit Produkten, bei denen das gedruckte Buch mit dem eBook kombiniert ist? Bis Mitte 2014 wurden die einheitlich mit 7% Mehrwertsteuer versehen, wie auch bei Kombiprodukten, also Büchern, denen zum Bespiel eine CD beigelegt ist. Der Steuersatz richtet sich hier nach dem „charaktergebenden Bestandteil“ der Kombination, dem Buch. Das war bei eBook Bundles aber steuerrechtlich nicht korrekt, ab 1. Juli 2014 sollte eine neue Regelung gelten, nach der Bundles aus Buch und eBook, zum Beispiel mit einem eingedruckten Downloadcode, auch mit zwei verschiedenen Steuersätzen versehen werden müssen. Ein Produkt, aber zwei Preisteile, ein Teil des Preises mit 7% Mehrwertsteuer, ein Teil des Preises 19% Mehrwertsteuer.
Diese Regelung kam ziemlich kurzfristig, wenn man bedenkt, was für ein Aufwand dahinter steckt, sämtliche Prozesse bei den Verlagen, den Zwischenhändlern und den Buchhändlern daran anzupassen, dass jetzt ein Produkt mit zwei Steuersätzen abgerechnet werden soll. (Börsenblatt vom 18.06.2014, „Neue Steuerregeln für Bundle-Angebote setzen Verlage unter Zeitdruck“) Anfang November hat das Bundesministerium für Finanzen die Nichtbeanstandungsfrist für Bundle Produkte aus Buch und eBook dann aber doch bis zum 1. Januar 2016 verlängert. (Börsenverein des Buchhandels, „E-Book-Bundles: Ermäßigte Umsatzsteuer auf Gesamtverkaufspreis bis Ende 2015 erlaubt“)
Vier Monate, nachdem die Regelung schon in Kraft getreten war. Die meisten Verlage hatten zum 1. Juli 2014 den Verkauf von eBook Bundles eingestellt, bisher habe ich noch von keinem mitbekommen, dass der Verkauf wieder aufgenommen wurde. Aber theoretisch dürften sie es, noch. Praktisch ist das eBook Bundle damit gestorben.
Keine Regel ohne Ausnahme: für E-Paper-Bundles gilt die Verlängerung der Nichtbeanstandungsfrist nicht. Zeitungen und Zeitschriften dürfen keinen kostenlosen Zugriff mehr auf ihre Inhalte mit dem Kauf der Printversion verbinden, bei der Abrechnung muss die gedruckte Version mit 7% Mehrwertsteuer berechnet werden, der Onlineinhalt aber mit 19%.
Noch mehr Ausnahmen gefällig? Hörbücher. Sie sind nicht preisgebunden, weil sie ein Buch nicht „reproduzieren oder substituieren“, seit 1. Januar 2015 gilt für Hörbücher aber auch der reduzierte Mehrwertsteuersatz von 7%. Aber nur, wenn es keine Hörspiele sind und wenn sie auf einem Tonträger vorliegen. Hörspiele und Downloads sind immer noch mit 19% besteuert, weil Downloads ja eine „elektronische Dienstleistung“ sind. (Buchreport vom 4. Juli 2014, „Endlich einheitlich“)
Damit wären wir wieder bei der erstgenannten elektronischen Dienstleistung: dem eBook.
Dem eBook das kein Buch und kein Kulturgut sein darf, auch wenn genau der gleiche Text darin steht wie in einem gedruckten Buch. Sind wir denn in Schilda?
Überblick im Mehrwertsteuerdschungel:
Gedrucktes Buch: 7%
eBook: 19%
Buch und eBook im Bundle: bis 1. Januar 2016 7%, danach gesplittet in 7% (Buch) und 19% (eBook)
Zeitschrift und Onlineinhalte im Bundle: gesplittet in 7% (Print) und 19% (Online)
Hörbuch auf Tonträger: 7%
Hörbuch im Donwload: 19%
Hörspiel: 19%
Alle rechtlichen Angaben ohne Gewähr.
Update 6.5.2015: EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärt, dass der reduzierte Mehrwertsteursatz in (hoffentlich naher) Zukunft auch für eBooks und digitale Zeitungen gelten wird. Dann wären auch Bundles aus gedrucktem Buch und eBook wieder möglich.
20 Kommentare
Nichts bringt mich so auf die Palme wie diese bürokratische Willkür, die immer zu Lasten des Konsumenten geht.
@Thomas Brasch Volle Zustimmung.
Und zulasten der Freiberufler, die sich mit dem Irrsinn herumplagen dürfen.
Und bei uns in Österreich wird gerade darüber disktuiert Bücher von 10% auf 20% zu versteuern!!!!!! Da kann ich dann mein Hobby aufgeben……Kulturgut, was ist das?
Da hast Du die Absurdität unserer Steuergesetzgebung perfekt auf den Punkt gebracht. Zarte Innovationsversuche wie die E-Book-Bundles werden dadurch im Keim erstickt. Offensichtlich denkt da keiner mit, der diese irrsinnigen Regelungen auf den Weg bringt.
@kaffeehaussitzer Ich sitze im Büro neben der Dame, die die Rechnungen bucht. Die flucht auch über die neue Regelung, bei Zeitschriften gilt die ja schon. Um die ebook Bundles ist es wirklich schade. :-(
Es wohl noch viel ärgerlicher: sie wissen genau, was sie tun. Denn man könnte ja im Zweifel zugunsten der Konsumenten entscheiden. Aber dieser Gedanken gehört zu den großen Tabus im Finanzministerium. Oder Kreativität entwickeln und die Gesetzgebung dahin ändern, dass alle zwar 19% besteuert würden, jedoch Bücher & Co. bis Summe X steuerlich auch privat voll absetzbar sind.
[…] Buch- und Literaturblog Papiergeflüster gibt es einen sehr lesenswerten Beitrag zu derselben Thematik, inklusive einer genauen Auflistung, […]
Wenn ich könnte, würde ich für den Artikel zweimal „Daumen hoch“ drücken, für die geschilderte Tatsache zweimal „Daumen runter“!
@bukoenig Danke :-)
sehr gut zusammengefasst. danke für die mühe :)
Das Thema wird irgendwann in Karlsruhe landen. Dann werden die Hohen Richter feststellen, ob es Bücher sind oder nicht.
Ich könnte mich über solche Entscheidungen auch ziemlich aufregen…danke für die Zusammenstellung, gleich mal gebookmarked!
[…] Mehrwertsteuerdschungel bei eBooks und Büchern Papiergeflüster ⇒ hat sich die Mühe gemacht und euch einen Post über die unterschiedlichen Mehrwertsteuern für […]
[…] Papiergeflüster fragt sich, ob wir in Schilda leben? Der Grund für diese Aussage findet ihr in “Die Mär vom eBook und der Mehrwertsteuer“. […]
[…] Unter diesem Titel musste sich Buchhändlerin und Bloggerin Simone Dalbert diese Woche Luft machen. Sie kennt die Vor- und Nachteilen der Digitalliteratur im Alltag, hält regelmäßig Vorträge für Neulinge im Reader-Dschungel und setzt sich offen gegen die Verwendung von DRM bei E-Books ein. “Sind wir denn in Schilda?” fragt sie aufgrund der seltsamen Regelung, dass das gedruckte Buch als Kulturgut gilt und deswegen mit 7 Prozent Mwst. und das E-Book mit gleichem Inhalt mit 19 Prozent berechnet wird. Logik kann Simone auch nicht finden, hat aber einen guten Überblick geschaffen! […]
Ist doch schön, wenn man sich beim Steuergesetz sklavisch an die EU hält, aber bei drohender Terrorangst lieber jetzt als gleich EU-Vorgaben zur Voratsdatenspeicherung über Bord werfen will und einen eigenen Weg gehen will
[…] Vielleicht habt ihr in Buchläden bereits Bücher stehen sehen, auf denen ein Aufkleber mit der Aufschrift „mit Gratis eBook!“ zu lesen war. Wie schön, denkt man sich, zwei Produkte für einen Preis! Dass die Sache mit der Mehrwertsteuer etwas komplizierter ist als man denkt, zeigen Uwe Kalkowski und Simone Dalbert in ihren Beiträgen „Es hätte so schön sein können. Der Fiskus und die E-Books“ sowie „Die Mär vom eBook und der Mehrwertsteuer“. […]
[…] Eine schöne Übersicht zu Irrsinn und Fakten rund um Mehrwertsteuer und (digitale) Bücher hat Papi… […]
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