Belletristik Besprechungen

Ian McEwan – Kindeswohl

27. Januar 2015

Kindeswohl

Fiona Maye ist Familienrichterin und kümmert sich in den meisten Fällen um das Wohl von Kindern. Für ihre Karriere hat sie viel geopfert, zum Beispiel nie eine eigene Familie gegründet, obwohl sie seit über dreißig Jahren glücklich mit ihrem Mann verheiratet ist. Sie ist mit ihrem Leben zufrieden, bis es eines Tages ins Wanken gerät, ihr Mann möchte eine Affäre mit einer jüngeren Frau beginnen und ihre Zustimmung dazu. Für solche Kapriolen hat sie gerade gar keine Zeit, weil ihr ein akuter Fall zugeteilt wurde, in dem es um Leben und Tod geht. Ein siebzehnjähriger, leukämiekranker Junge braucht eine Bluttransfusion, um überleben zu können. Da er und seine Eltern Zeugen Jehovas sind, lehnen sie diese Behandlung ab, was den sicheren Tod des Jungen bedeutet. Fiona hat nicht viel Zeit, diese Entscheidung zu treffen. Ist der Junge reif genug, selbst darüber zu entscheiden, ob er sterben will? Oder soll sie gegen seinen Willen sein Leben retten?

Das ist nicht der einzige Fall der Richterin, der hier beschrieben wird. Verschiedene Dramen, oft mit religiösem Hintergrund, aber wechselnden Religionen, werden thematisiert. Da kommt viel Stoff zum Nachdenken zusammen. Fiona Maye ist für ihre gut durchdachten und fairen Urteile bekannt, auch wenn das meistens nur eine Seite der Verhandlungspartner so sieht. Aber auch sie kommt immer wieder an Punkte, an denen die Entscheidung schwer fällt. Wie hätte der Leser entschieden?

Auch in dieser schweren Zeit mit eigenen Problemen muss die Richterin funktionieren. Sie erzählt niemandem davon, nicht einmal ihren Freundinnen. Die Arbeit lenkt ab, ganz gleich wie sie sich selbst fühlt. Ganz kann sie aber nicht verhindern, dass sie beginnt über ihre Ehe und auch sich selbst nachzudenken, die Entscheidungen, die sie in den letzten Jahren für sich fällte. Bereut sie diese Entscheidungen heute?

„Kindeswohl“ ist so wunderbar geschrieben und übersetzt, ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen. Zum Glück ist es mit 200 Seiten noch gut an einem Abend lesbar, sonst hätte es mich die Nacht gekostet. Abgeschlossen hat man aber nicht damit nach der letzten Seite, so manche Szene geht einem noch lange nach.

Kindeswohl – Ian McEwan
Deutsch von Werner Schmitz
224 Seiten, Diogenes Verlag
, 21,90 €
Gebunden

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